Viele, die mich kennen, wissen, dass ich mich manchmal als unpolitische Piratin bezeichne.
Das klingt wie ein Paradoxon, aber für mich bedeutet es folgendes:
Ich lese unser Grundsatzprogramm, und ich möchte überall „ja! JA! GENAU!“ an den Rand schreiben.
Die Welt, von der unser Grundsatzprogramm träumt, ist die Welt, in der ich leben möchte.
Das Blöde ist nur, dass ich keinen Bock auf Politik habe.
Ich sehe, mit was für einem Schafscheiss sich unsere Mandatsträger rumärgern müssen, und habe auf sowas schlicht und ergreifend keine Lust.
Aber.
Ich bin eine von denen, die nicht in der ersten Reihe stehen müssen, und ich bin ein Erbsenzähler.
Und so habe ich die Möglichkeit, auf meine Weise dazu beizutragen, dass unsere Utopie Wirklichkeit wird.
Ihr macht die Politik und ich halt Euch den Rücken frei.
Ich mache TechSquad. Ich mache Schiedsgericht. Ich mache Wahlleitung.
Damit Ihr Politik machen könnt.
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Alx hat in seinem Blogpost beschrieben, wie sehr wir uns hinter den Kulissen professionalisiert haben.
Das sehe ich ganz genauso. Und ich teile seinen Frust.
Wir haben ein effizientes System aufgebaut. Versammlungsleiter mit Assistenten und Backoffice und Frontoffice. Wahlleiter mit Spezialsoftware und eigenem Netzwerk. Ein Orga-Catering, das die VL/WL auf der Bühne mit Futter versorgt, weil die sonst mangels Zeit nix zwischen die Zähne kriegen.
Ich hab in Bremen Wahlleitung/Personal gemacht.
Ich bin zwei Tage lang auf Achse gewesen. Ich war hochkonzentriert und ständig beschäftigt, so dass ich fast nichts vom Parteitag mitbekommen habe. Ich habe dreimal selber Kreuzchen gemacht, wenn ich mich recht erinnere. Ich habe zwischendurch hochgeschaut und gedacht „Ihr habt nicht schon wieder die TO am Wickel, oder?“
Ich habe Leute im Vorbeieeilen begrüßt, wenn überhaupt. Das einzige Socializing für mich war das gemeinsame Besäufnis des Bühnenteams Samstagabend.
Besäufnis. Klingt episch, nicht?
Um zehn war ich im Bett, weil ich wusste, dass der Sonntag hart wird.
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Am Sonntag hatte ich nicht nur das Wahlgedöns, sondern zusätzlich die Anspannung wegen meiner BSG-Kandidatur. Was hab ich mir Gedanken gemacht!
Was, wenn sie nach dem entzogenen Fall fragen?
Was, wenn sie fragen, was im Berliner LSG passiert, wenn ich gewählt werde?
Was, wenn sie mich nach bestimmten Paragraphen fragen und sich herausstellt, dass ich die SGO gar nicht auswendig kann?
Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen.
Ihr habt mich, die BSG-Kandidatin, nach dem Berliner Bildungssystem und nach dem BER gefragt.
Ihr habt obskure Zitate von Euch gegeben und mich gefragt, ob ich glaube, das Wahlen illegal wären, wenn sie was bringen würden.
Toll.
Ihr haltet Euren Teil unseres Vertrages nicht ein.
Ich halte Euch nach bestem Wissen und Gewissen den Rücken frei, nehme dabei in Kauf, dass ich nur Eure Stimmen zähle und selber nicht die Zeit habe, meine Stimme abzugeben, aber Ihr macht keine Politik.
Ihr verschwendet unsere Zeit mit Fragen nach Stuttgart 21.
Ihr haltet den kompletten BPT auf, um Euer Lieblingsthema auf die TO zu drücken.
Ihr solltet zum Beispiel mal das mit der Demokratie nachlesen.
Wenn die Mehrheit entscheidet, dass ein Thema nicht auf die TO kommt, ist das keine Aufforderung, den ganzen BPT solange zu sabotieren, bis wir am Ende nicht mehr wissen, ob wir überhaupt einen Vorstand zusammenkriegen.
Wenn man kein Mehrheit hat, ist das eine Aufforderung, entweder zu überlegen, ob das Thema wirklich wichtig ist, oder die Zeit bis zum nächsten BPT zu nutzen, für eine Mehrheit zu werben.
Das, was in Bremen gelaufen ist, war unwürdig.
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Und ich erreiche gerade einen Punkt, an dem mir immer egaler wird, was diese Partei politisch macht.
Wie absurd ist das denn?
Ich habe einen Heidenspass mit den Orga-Leuten und ich ziehe tatsächlich meine Befriedigung und Bestätigung aus dieser Arbeit.
Gleichzeitig kann ich kaum noch hinsehen, was auf dieser Arbeit politisch aufgebaut wird.
Und jetzt gerade denke auch ich über Bochum nach.
Und das einzige Argument für eine Fahrt nach Bochum ist mein Pflichtbewusstsein. Ich kann Jochen und Michael doch nicht mit der Wahlleitung allein lassen.
Ja, das ist das echt einzige Argument.
Auf unserer innerparteilichen Klassenfahrt Leute wiedersehen?
Geschenkt, dazu werde ich wieder keine Zeit haben.
Und ganz ehrlich, ich weiss nicht, ob ich es noch einmal ertrage, eine Versammlung anzuschauen, die die ganze Arbeit und Organisation nimmt, die wir da reingesteckt haben, und eine *Farce* daraus macht.
Liebe Versammlung: macht Euren verdammten Job.
Ja, du hast recht und ich verstehe Deinen Frust – sogar sehr gut. Weil mich diese Fragen ebenfalls extrem angeödet haben. Auch wenn ich kein Kandidat war.
Aber, warum sollte ich mir die Mühe machen, intelligente Fragen zu stellen, die ich innerhalb von wenigen Minuten auf Blatt Papier kritzeln – ach nee, muss es in der kürze der Zeit auch noch lesbar schreiben, und diese dann in eine „Losbox“ stecken soll. Und mit viel Glück wird meine Frage dann auch ausgelost – wenn nicht, war die Arbeit eben umsonst. An der Stelle komme ich mir dann – ähm, formulieren wir es mal freundlich – verhonepipelt vor.
So Leid mir Dein Frust persönlich auch tut – wenn man sinnvollen Fragern das Leben schwer macht und stattdessen der Trollerei Tür und tor öffnet, dann darf man sich auch nicht wundern, wenn sich die politisch aktiven nicht mehr beteiligen und man getrollt wird.
@Drachenrose Ich kann mir gut vorstellen, dass der BPT für die Versammlung auch nicht ohne Frust war.
Und, hey: es wäre kein BPT, wenn es nicht mit gewissen Unannehmlichkeiten für alle verbunden wäre 🙂
Warum haben wir überhaupt das persöhnliche Fragen abgeschafft?
Das Zettelsystem funktionert ja offensichtlich scheiße.
ich denke wir brauche zu beginn des Parteitags, etwas einendes. Rituale. Lasst uns zum beispiel die Landesverbände begrüßen und sich duch klatschen und jubeln bemerkbar machen. Nur wenn wir das gefühl haben, dass wir zusammengehöre werden wir auch zusammenarbieten. mit sind eben nicht nur ratio sondern auch emotion.
Vielleicht bekommt ihr von der Orga sowas noch auf die beinde gestellt. Ich helfe gerne mit.
Nochmal zu den Fragen:
habe mal kurz nahcgedacht:
1. Fragende bilden eine Reihe.
2. jeder Person wird eine Zahl zugeordnet (abzählen)
3. Nummer wird gezogen.
alternative: Bälle mit Zahlen drinn. Fragenstellnde ziehen eine Kugel. 1 darf zuerst fragen 2 als zweites….
Ich weiß nicht warum man anonym Fragen können muss. Also auch ohne Proxy. (jemanden bitten für dich zu fragen.)
Dieses System enthält auch Zufall, reduziert trollerei und vermenschlicht den Frageprozess.
@nivatius: Ich weiß ja nicht, wie lange du schon mit dabei bist, aber früher wurde die Versammlung auch immer damit getrollt, daß sich bei jedem Kandidaten immer die gleichen Leute mit der gleichen Frage (z.B. „Was war dein größter Fail“) in die Befragungsschlange stellten. Um genau das zu verhindern, wurde das Losverfahren eingeführt. Leider läßt sich die Relevanz der Fragen nicht neutral bewerten und in eine reihenfolge bringen. Zudem können beim Lossystem auch diejendige Leute ihre Frage loswerden, die nicht öffentlich auftreten möchten; es ist also barrierefreier. theoretisch könnten Fragen sogar von außerhalb des parteitages eingebracht werden.
Und da ist es schon wieder: das Streiten um TO/GO. Ich bin kein Pirat – sehe aber interessiert den stream von Euren LPT oder BPT zu. In diesem Blog drückt jemand seinen Frust über zuwenig stattfindende Politik aus. Und was macht Ihr: diskutiert schon wieder nur über die Art und Weise der Fragestellung und nicht über Inhalte. Leider ist genau das das Bild, das die Piraten in der Öffentlichkeit hinterlassen. Und das zu den bekannten Wahlergebnissen führt.
Schade!
Auf dem Parteitag wird zu viel Formalfick und zu wenig Politik gemacht? ja. Wie kann man das ändern? Mehr Politik. Dafür müssten aber Piraten realisieren, dass so ein Parteitag mehr als das formelle Abstimmungsorgan ist, als das sie es hauptsächlich sehen sondern auch die Funktion hat, die Partei zu verkaufen.
Wenn alleine die 4 Landtags-Fraktionen und der BuVo und die Themenbeauftragten und die JuPis je am Anfang ne Rede halten würden über ihren Politik hätte man da 1-2 Stunden nach denen alle wissen, wo die Piraten politisch stehen, wie aktiv sie sind und was sie erreicht haben und erreichen wollen. Zweiter Vorteil davon: Danach sind dadurch hoffentlich alle motiviert(er), was der Stimmung aufm Parteitag sicher gut tun wird.
Wie wir JuPis das für die nächste BMV planen so TO-mäßig: Freitag Abend Formalkram (Eröffnung, VL/WL-Wahl, GO/TO festlegen, Wahl von Kassenprüfenden) und dann Vertagung und Samstag morgen Wiedereröffnung und dann kann man dort auch direkt mit dem Interessanten anfangen.
[…] das knüpft nahtlos an meinen letzten Blogpost an: So 2014 wird das Jahr der Selbstbeschäftigung :/ Wir schmeissen unsere gutgeölte […]