Seit dem Sommer 2014 verbringe ich fast jeden ersten Samstag im Monat im CoderDojo Berlin.
Das CoderDojo ist – anders, als der Name vermuten lässt – kein Ort in Berlin, sondern eine lose organisierte Gruppe von Programmiererinnen, die Kinder in das Programmieren einführen wollen.
Das Faszinierende am CoderDojo ist, dass es völlig unbürokratisch ist. Wir brauchen a) einen Veranstaltungsort, am Besten mit reichlich WLAN, b) Mentorinnen, c) Software und d) Kinder, die im besten Fall selber einen Laptop mitbringen. Das war’s schon.
Und wir brauchen Tiffany, fronx und Philip, die das Ganze organisieren 🙂
Man trifft sich also am Samstag um 14:00 Uhr in der Location, und meistens ergibt es sich, das jede Mentorin ein oder zwei Kinder zum Betreuen findet. Meistens arbeiten wir mit Scratch, einer grafischen Programmieroberfläche vom MIT. So netto kommt man dann auf 1,5 bis 2 Stunden Zeit zum Programmieren, bevor es dann Zeit wird, die Programme vor versammelter Mannschaft vorzustellen. Und gegen 17:00 Uhr ist das CoderDojo dann auch wieder vorbei.
Ich bin jetzt sechs, sieben Mal als Mentorin dabei gewesen, und es flasht mich jedes Mal wieder. Und deshalb möchte ich hier einfach mal ziemlich ungeordnet aufzählen, warum das CoderDojo für mich eine wirklich wichtige und gute Sache ist.
Die Software: Scratch
Scratch ist eine Oberfläche, auf der die Benutzerinnen Programme zusammenklicken können. Man hat eine Bühne, und einen Werkzeugkasten voller Funktionen und einen Programmbereich, in den man grafische Elemente aus dem Werkzeugkasten zu Programmen zusammenstellen kann.
Was mich bei Scratch wirklich überzeugt, ist, dass die Programme, die dabei entstehen, verdammt nahe an echtem Programmcode sind.
Ich habe schon mehrfach Lehrprogramme gesehen, in denen Kinder per Drag’n’Drop Programme „schreiben“ konnten. Von vielen habe ich mich mit Grausen abgewendet, weil sie das Programmieren sinnentstellend vereinfacht haben. Ich hatte oft den Eindruck, dass Kinder anhand dieser Programme glauben zu verstehen, was Programmieren ist, aber dabei völlig falsche Konzepte verinnerlichen. Damit wäre der Schritt zum „echten Programmieren“ mit einem erheblichen Umlernen verbunden.
Bei Scratch jedoch ensteht Code, den man ohne weiteres in der Sprache seiner Wahl abschreiben könnte. Konzepte wie Schleifen, Variablen und sogar Eventhandler liegen vor, und die Kinder begreifen sie mit frappierender Geschwindigkeit.
Wenn Kinder mit Scratch ihre ersten Schritte machen, müssen sie IMHO nicht umlernen, wenn sie sich weiterentwickeln und eine echte Programmiersprache lernen wollen.
Von mir: volle Punktzahl für Scratch.
Die Kinder
Sie sind zwischen 5 und 16/17, und zum Teil Anfänger, aber auch erfahrener im Umgang mit Computern.
Das CoderDojo wendet sich explizit an Anfänger, es sind keine Vorkenntnisse notwendig. Da wir aber eine Menge Kinder haben, die jedes Mal wieder dabei sind, bauen sich schon Kenntnisse auf. Das führt dann dazu, dass man auch schon mal eins der Kinder als Mentorin für blutige Anfänger rekrutieren kann, wenn Not am Mann ist.
Ihr würdet nicht glauben, was für einen Spass es macht, mit diesen Kindern zu arbeiten. Und wie überraschend es ist, was für komplexe Konzepte sie einfach so verstehen, wenn sie sie für ihr Programm brauchen und wenn man es ihnen erklärt, ohne ihnen zu verraten, dass das eigentlich schwer ist 😀
Und es bringt mich immer wieder dazu, mein eigenes Handwerk zu hinterfragen und von anderen Standpunkten zu betrachten. Ganz oft bringt mich die Frage „aber wieso ist das so?“ echt in’s Grübeln. Ja, wieso eigentlich?
Der Aha-Effekt
Oft kommen die Kinder mit sehr überzogenen Vorstellungen davon an, was man programmieren könnte. Das redet man ihnen am Besten gar nicht aus, sondern fängt erst einmal an.
Ich fange meist damit an, ihnen zu zeigen, wie man Eventhandler für die Pfeiltasten schreibt, so dass man seine Figur auf der Bühne steuern kann. Dann muss irgendwie mit der Umwelt interagiert. Man kann gegen Objekte prallen, und dann passieren Dinge, abhängig davon, ob man laut Spielidee ausweichen oder fangen sollte. Ich führe Variablen ein, um Spielstände zu speichern.
Und irgendwann kommt bei den meisten Kindern der Punkt, an dem sie realisieren, dass sie mit Scratch die Dinge implementieren können, die sie als Idee in ihrem Kopf haben.
Und für diesen Moment mache ich das Ganze.
Der Moment, in dem ihnen klar wird, dass sich eine ganz neue Welt eröffnet hat.
Und ich stehe hinter ihnen und freue mich für sie 🙂
Das Vorstellen
Wenn sich das CoderDojo dem Ende zuneigt, sollen/dürfen die Kinder am Beamer ihre Werke vorstellen. Die Mehrheit tut das auch.
Sie stellen sich vor eine Gruppe aus Kindern, Eltern und professionellen Programmierern und zeigen ihre Programme. Respekt dafür!
Und dann…?
Dann gibt’s Applaus.
Von der Peergroup, von den Eltern, von den Profis.
Sie kriegen Applaus für’s Rumnerden. Wo war das, als ich ein Nerdling war???
Ein Mädchen hatte einmal eine ziemlich komplexe Bahnsimulation geschrieben, und ihr Vortrag wurde immer wieder von „wow….“s aus der Programmierer-Ecke untermalt. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass sie sich dieses Gefühl für die Zeiten aufbewahrt, wo Leute ihr weismachen wollen, dass Programmieren nix für Mädchen ist.
Die Eltern
Hach, die Eltern 🙂
Es vergeht kein CoderDojo, wo nicht mindestens ein Elternteil uns Mentorinnen die bahnbrechende Idee unterbreitet, dass man das CoderDojo so crowdfunden könnte, dass man uns Mentorinnen bezahlen könnte.
Ich schmelze jedes Mal 😀
Es tut gut, dass anerkannt wird, dass hier Profis ihr wertvolles Knowhow zur Verfügung stellen und normalerweise das Recht hätten, dafür vergütet zu werden.
Aaaaber…
Erstens ist es Bezahlung genug, beim Aha-Moment dabei sein zu dürfen.
Und zweitens müsste sich dann irgendjemand um die Verwaltung kümmern o.O Und wenn Geld in’s Spiel kommt, wird’s oft unangenehm.
Insofern akzeptiere ich diese Idee einfach als Ausdruck der Dankbarkeit und Wertschätzung, die uns die überwältigende Mehrheit der Eltern auch in anderen Formen entgegenbringt 🙂
Die Locations
Es ist immer wieder interessant, zu sehen, wo andere so arbeiten. Wir waren schon bei SoundCloud und Wikimedia und einer Reihe anderer Gastgeber und ich freue mich jedes Mal auf die Office-Tour 🙂
***
Alles in allem bin ich sehr froh, dass das Konzept CoderDojo in Berlin umgesetzt wurde.
Ja, es sieht auf den ersten Blick aus, als würde ich mein Wochenende damit verbringen, anderer Leute Blagen zu bespaßen.
Aber einmal im Monat gibt es nichts, was ich lieber täte 🙂
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