tl/dr: Ich will nicht, es gibt genug fähige Kandidaten, es gibt genug andere Arbeit in der Partei
Ich habe vor einigen Wochen sinngemäß getweetet: Es ist schon absurd, dass es nicht absurd ist, über ein Bundestagsmandat nachzudenken 🙂
Dabei habe ich gleich klargestellt, dass ich NICHT in den Bundestag will.
Die Presse stellt ja nun immer wieder die Frage, warum bei den Piraten so wenig Frauen auf herausgehobene Positionen gewählt werden – ich gehe mal nicht auf den Wahrheitsgehalt dieser Frage ein…
Also antworte ich einfach mal als eine Frau, die in absehbarer Zeit nicht vorhat, sich in die vorderste Front zu stellen.
Das was ich hier schreibe, ist nicht allgemein gültig, sondern der Grund, warum ihr *diese* Frau nicht auf einem Listenplatz finden werdet.
Vieles von dem, was hier folgt, klingt vielleicht wie eitles Mimimi, ist es aber nicht. Müsst ihr mir halt glauben 🙂
Und ich glaube ich nicht ernsthaft, dass ich auf die Bundestags-Liste sollte.
Ich betrachte halt schon seit ein paar Wochen dieses ganze BuVo-Dingens und die Leute, die da kandidieren.
Da schießt einem natürlich schon mal der Gedanke durch den Kopf: ich könnte auch kandidieren. Dicht gefolgt von: Mach keinen Scheiß, du kandidierst auf keinen Fall!
Und dann sitzt man Ostern mit der Familie bei einem Bier und spinnt rum, dass ein MdB in der Familie schon klasse wäre.
Allein schon, um einigen von den örtlichen Kommunal-Windbeuteln die Luft rauszulassen 😀
Also erst einmal: warum könnte / sollte ich für einen Listenplatz für die Bundestagswahl 2013 kandidieren?
Gute Frage.
Ich bin seit acht Monaten Mitglied. Das ist auch ausschließlich bei den Piraten ein Dienstalter, das einen zu Höherem befähigt 🙂
(zumindest ist es kein Hindernis)
Ich habe offenbar den ersten Spacko-Check mit Bravour gemeistert: ich bin mit einer beeindruckenden Anzahl Stimmen ins Landesschiedsgericht Berlin gewählt worden.
Eine Woche später bin ich zur Vorsitzenden dieses Schiedsgerichts gewählt worden.
Die Schwarmintelligenz hält mich also für wählbar. Erste Hürde genommen.
Dazu zählt auch, dass ich das partei-interne Wahlritual inklusive Kandidatengrillen und zwei-Stunden-auf-der-Bühne-sitzen-bis-der-Satzungsfoo-geklärt-ist überlebt habe.
Zweitens bin ich eine Frau. Das ist im Moment ein *kleiner* Vorteil bei Wahlen.
Auf der Landesmitgliederversammlung habe ich mehrfach gehört, dass für viele Piraten offenbar bei zwei gleichwertigen Piraten das Geschlecht das Zünglein an der Waage ist.
Drittens wird so eine Gelegenheit nie wieder kommen.
Jetzt habe ich als nicht unwählbarer weiblicher Pirat eine reelle Chance, auf die Liste zu kommen.
Eine verschwindend kleine Chance, angesichts der vielen anderen fähigen Piraten, aber eine Chance.
2017 wird das schon wieder ganz anders aussehen. Jetzt bin ich eine von 25.000 Piraten, wer weiß, wo wir vor der *nächsten* Bundestagswahl stehen…
Wenn ich in den Bundestag wollte, hieße es für mich: jetzt oder nie.
Warum habe ich also die Wahlen 2013 nicht im Fadenkreuz, zumindest nicht in meinem persönlichen?
Ganz einfach: ich will nicht.
Warum?
1. Ich will den Job nicht
Der rote Faden in meinem Lebenslauf ist, dass ich mich mit Gusto in neue Technologien einarbeite. Ich habe vier Monate beruflich in Second Life verbracht.
Deshalb finde ich meine Arbeit im LSG auch ausgesprochen spannend: ich fuchse mich gerade mit Enthusiasmus in die neue Technologie Jura ein.
Insofern wäre so ein Bundestagsmandat eigentlich genau mein Ding. Mir eine *ganz* neue Technologie aneignen und sie dann hacken? #ilike
Leider geht es nicht nur darum. Wenn ich mir anhöre, was die Berliner Abgeordneten so erzählen, würde ich Vollzeit genau die Art von Arbeit machen, auf die ich keinen Bock habe und für die ich nicht geeignet wäre.
Ich wäre als Mitglied des Bundestages eine große Katastrophe.
Und ich würde wahrscheinlich dabei vor die Hunde gehen, denn:
2. Ich liebe meinen Erwerbsjob
Ich bin mit Leib und Seele Webentwickler. Das ist mein Traumjob.
Wenn ich nochmal ein druckfrisches Abitur in der Hand hätte, würde ich wieder Entwickler werden.
Dazu kommt, dass ich seit einem Jahr in einer Firma arbeite, in der ich mich sauwohl fühle.
Ich ziehe Befriedigung und Selbstwertgefühl aus dem Wissen, das *dies* meine … Berufung ist. Klingt kitschig, ist aber so.
Ja, andere malen zur Entspannung Aquarell-Landschaften, ich setze mich ins Büro und schubse Pixel.
Deshalb mag ich auch den LSG-Gig. Ich kann ein paar Stunden lang an diesem Gesetzes-Gedöns rumfrickeln, und am nächsten Morgen wieder Bits rumkommandieren.
Und deshalb …ängstigt mich die Vorstellung, diesen Job aufzugeben, und mich für vier Jahre Vollzeit für einen Job zu verpflichten, der nicht meinem Naturell entspricht, und den ich nicht will.
Ich muss auch sagen, dass die vier Jahre mich schocken. In meiner Branche wechselt man alle drei bis fünf Jahre den Arbeitgeber. Ich mag diese Freiheit, mir einfach einen neuen Job zu suchen, und weiterzuziehen.
Vier Jahre lang festsitzen? *schauder*
3. Es gibt genug Leute, die ein Mandat wollen
Wir haben genug Bewerber. Manche sagen, sogar zu viele. Kann sein.
Aber ich vertraue naiverweise immer noch dem Schwarmverstand. Ich weiß, wir werden die Schwachmaten aussieben, und gute Leute auf die Liste setzen.
Leute, die dahin wollen.
Und deshalb ist die Partei in keinster Weise darauf angewiesen, dass jemand wie ich für irgendwas kandidiert. Und das ist auch gut so.
4. Partei-Ämter? Ja, bitte
Ich hab jetzt Blut geleckt.
Zweithöchste Stimmenzahl auf der LMVB? Liebe Berliner Piraten, ihr habt ein Monster erschaffen!
Jetzt habt ihr mich angefixt, jetzt werdet ihr mich nicht wieder los.
Muahahahahahahahah!
Aber ernsthaft: ich finde die Idee spannend, mich durch die Parteiämter zu wühlen.
Jetzt noch zehn Monate Schiedsgericht, wer weiß, was dann kommt?
Noch ne Runde Landesschiedsgericht? Oder Bundesschiedsgericht?
Vielleicht sticht mich der Hafer und ich fange an, an hases Stuhl zu sägen? *evil grin*
Was ich sagen will, es gibt innerhalb der Partei noch viele spannende Ämter, von denen ich noch einige in Angriff nehmen werde, wenn ihr mich lasst.
Ämter, in denen man die politische Arbeit der politisch Arbeitenden unterstützen kann. Ämter, in denen man den Mitgliedern Hindernisse aus dem Weg räumen kann, die sie an der politischen Mitarbeit hindern könnten. Ämter, in denen man den Mandatsträgern das Leben leichter machen kann.
5. Basis-Arbeit? Fuck, yeah!
Was viele unterschätzen, ist, wie befriedigend und wichtig gute alte Basis-Arbeit sein kann. Das sage ich natürlich nicht nur aufgrund von acht Monaten Piraten-Erfahrung, sondern auch aus der Erfahrung mit anderen Vereinen etc.
Und deshalb werde ich auch in Zukunft Geschirr spülen, Handtücher waschen, bei der Inventur Weihnachtsmann-Kostüme abzählen, beim nächsten Mal beim Stimmzettel-Kleben helfen et cetera, et cetera, et cetera.
Außerdem gibt es offenbar auch anspruchsvollere Aufgaben für mich. Wer hätte das gedacht, dass die Internet-Partei noch Arbeit für Webentwickler hat 🙂
***
So.
Das sind also die Gründe, warum ich kein Mandat will, und warum ich mich trotzdem – oder gerade deshalb auf eine spannende Zukunft mit den Piraten freue.