Fähnchen – oder: Haltet mal den Ball flach

In einigen Ecken meiner Filterblase wird aus gegebenen Anlass über Deutschlandfahnen gerantet.

Es ist Fußball-EM und manch einer fühlt sich inspiriert, doch mal ein wenig schwarz-rot-gold zur Schau zu stellen.

Wenn man besagten Ecken meiner Filterblase glaubt, sind diese bunten Fähnchen Ausdruck von Nationalismus der schlimmsten Sorte!
Und alle Fähnchen müssen sofort entfernt werden, und wer schwarz-rot-gold zeigt, wird sofort entfreundet.

Können wir mal die Kirche im Dorf lassen, bitte?

Viele von den Fähnchenträgern sind Leute wie ich.

Ich bin weder besonders patriotisch / nationalistisch drauf, noch wirklich ein Fußball-Fan.
Aber manchmal reisst es einen halt mit, und schon steht mal mit Blümchenkette in Deutschlandfarben um den Hals in einer rudelguckenden Menschenmenge.

Und warum?

Die EM ist als Event darauf aufgebaut, dass man Partei nimmt.

Nur weil ich aber hauptsächlich für Deutschland juble, heißt NICHT, dass ich

a) glaube, daß die deutsche Mannschaft oder Deutschland besser und allen überlegen sind, nur weil sie *deutsch* sind
b) glaube, daß alle anderen Mannschaften / Nationen scheiße sind, weil sie nicht deutsch sind.
c) jemanden, der die Insignien einer anderen Mannschaft trägt, abartig finde.

Kommt mal klar!

Wenn ich mit schwarz-rot-goldenen Accessoires beim Rudelgucken sitze, freue ich mich, wenn sich ein Fan der gegnerische Mannschaft in vollem Ornat neben mich setzt, und wir gemeinsam Spaß an dem Spektakel haben können.
Wenn seine Mannschaft eine coole Aktion hinlegt, werde ich der sportlichen Leistung applaudieren. Wenn die deutsche Mannschaft eine coole Aktion hinlegt, werde ich mich freuen, ohne mich dabei den gegnerischen Fans gegenüber wie ein Arschloch zu verhalten.

Wenn die deutsche Mannschaft gewinnt, kann es sein, daß ich ausgelassen mit meinen allemannisch gestalteten Wink-Waren winke.
Wenn die deutsche Mannschaft verliert, werde ich mit mildem Amüsement zuschauen, wie die gegnerischen Fans sich ausgelassen freuen und ihnen diesen Spaß von Herzen gönnen.

Wisst ihr, was der Punkt an der Sache ist?
ES GEHT UM NIX!

Es ist scheißegal, wie die deutsche Mannschaft abschneidet.

Es ist ja nicht so, dass unter den teilnehmenden Nationen die Lebensmittel danach verteilt werden, wie sie in der EM abgeschnitten haben.
Es werden auch nicht die Spieler der unterlegenen Mannschaften standrechtlich erschossen.

Es geht um nix.
Nur um den Gaudi.

Und wo ist dann das Problem, wenn wir alle mal über die Stränge schlagen, und mal ne Weile einen ulkig gestreiften Cowboy-Hut und eine quietschgelbe Vuvuzela dabei haben?

1 comment

  1. boxi 11. June 2012 at 14:34 Reply

    ich kann ihnen grundsätzlich zustimmen, dass wegen einer fahne (etc) die welt nicht unter gehen wird. trotzdem empfinde ich ihre ansicht ein bisschen zu naiv.

    -zum einen stärkt es den “nationengedanken”. diesen halte ich aber nicht als wünschenswert, stichwort “no borders, no nations”
    -das zeigen von nationalsymbolen macht diese wieder hoffähig. wer jetzt welche trägt, trägt sie vielleicht auch später, hängt sie das ganze jahr aus dem balkon, …
    -im kleinen ist das nie ein problem. wenn aber die flaggen erstmal da sind, findet sich auch immer (bzw. schnell) einer, der dies nutzt. der eine gemeinsame interesse heraufbeschwört, dies nutzt um menschen miteinander zu verbinden, die als große gemeinsamkeit die nationen haben.
    -man kann beim fußball sich freuen und auch jobeln ohne derartiger symbole. um einen gewagten vergleich zu machen: man kann auch witze machen ohne das diese sexistisch, rassistisch, … sind
    -gerade im fußball haben sich mit den jahren auch so manche feindschaft aufgebaut, die weit über den fußball hinaus geht. dabei hat er auch immer wieder gezeigt, dass er eben nicht nur friedlich ist. weshalb mir ein “so zu tun als wäre nichts” oder “es ist doch nur spaß” ein wenig zu wenig ist. denn dabei bleibt es selten. es bleiben rassistische rufe, geworfene flaschen, beleidigungen, sexistische & homophobe kommentare. nicht von ihnen, das weiß ich. aber aus dem event heraus, bzw. beflügelt durch den event.
    -es ist dieses masse-ding. in der masse fühlt sich jeder gut,in der masse ist aber auch jeder scheiß gut. da bejubelt man den papst, den nächsten massenmörder oder eben die nation. sowas kann immer missbraucht werden. ich sehe zumindest nicht, dass sich nur 50% der event-feierer sich dessen im klaren sind.

    (und das schreib ich, weil ich ihnen auf twitter eigentlich sehr gerne folge)

    und zum schluß noch ein zitat von schopenhauer:
    “”Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.”

    gruß,
    das boxi

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